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Die neuen Kanzelparamente der Michaelskirche Gerstetten (Deutschland)

Nach Vollendung der Innenrenovierung der Mchaelskirche 1994 kam im Kirchengemeinderat der Vorschlag auf, die so schön renovierte Kirche mit neuen Kanzelparamenten auszustatten. Durch die persönlichen Beziehungen unseres Diakonenehepaares Wolfgang und Claudia Ockert gelang es, im Dezember 94 mit dem slowenischen Künstler Matej Metlikovič Verbindung aufzunehmen und ihn für den Entwurf von vier Kanzelparamenten zu gewinnen. Nach der Besichtigung der Michaelskirche durch Metlikovič im Juni 1995 beschloss der Kirchengemeinderat dann im April 1996, an den Künstler den Auftrag zur künstlerischen Gestaltung von Fertigungsvorlagen für vier Kanzelparamente zu vergeben. In mehreren Begegnungen zwischen Künstler und Kirchengemeinderat wurden die Entwürfe beraten und weiterentwickelt. Die Paramentenstickerin Birgitt Lackner aus unserer Kirchengemeinde hat die Fertigungsvorlagen im Auftrag der Kirchengemeinde ab Anfang 1999 mit großer Liebe, Sachverstand und Geschick kunsthandwerklich vollendet. Wir danken dem Künstler Matej Metlikovič und unserer Paramentenstickerin Birgitt Lackner sehr herzlich.

Kunst in der Kirche ist nicht nur Ausdruck unseres Schönheitsempfindens. Kunst in der Kirche hat Verkündigungscharakter. Die Paramente sind in Farbe und Form gefasste Verkündigung des Ursprungs und Zieles unseres Glaubens. In dieser Aufgabe begleiten sie uns durch das Kirchenjahr. Lassen Sie sich in den folgenden Beiträgen mitnehmen in die Bedeutung der liturgischen Farben im Kirchenjahr und die künstlerische Aussage unserer neuen Paramente.

 

Vijolični antependij (Via crucis). Vezenje in aplikacije, načrt 1999, izvedba 2000 (Birgitt Lackner, Gerstetten), evangeličanska cerkev sv. Mihaela (Michaelskirche), Gerstetten, Nemčija.

Das violette Parament begleitet uns in unseren Gottesdiensten in der Adventszeit, in der Passionszeit und am Buß- und Bettag. Mit dem 1. Advent beginnen wir ein neues Kirchenjahr. Weil das violette Parament das neue Kirchenjahr eröffnet, bietet sich der erste Advent für eine Paramentenpredigt an.

Unsere Paramente dienen nicht nur der Verzierung unserer Kirchen. Paramente sind mehr. Sie sind Ausdruck christlicher Kunst. Christliche Kunst arbeitet viel mit Symbolen. Das bedeutet: Die Formen und Farben unserer Paramente wollen nicht einfach Wirklichkeit abbilden, sondern eine Botschaft überbringen. Matej Metlikovic hat in seiner künstlerischen Gestaltung unserer Paramente zentrale Inhalte unseres Glaubens aufgenommen. Und diese Inhalte wollen uns die Paramente mit ihren Farben, Formen und Symbolen nahe bringen.

Das beginnt schon mit der Farbe. Warum leiten wir das Kirchenjahr ein mit einem violetten Parament? Warum gerade die Farbe violett?

Violett ist eine Mischfarbe aus den Grundfarben rot und blau. Rot erinnert an die Farbe unserer Erde. Die kompakte, lehmige Erde hat einen rotbraunen Grundton. Zugleich ist Rot mit seiner Erinnerung an das Blut die Farbe des Lebens.

Blau ist die der Erde entgegengesetzte Farbe des Himmels. In der Farbe violett gehen das Blau des Himmels und das Rot der Erde eine spannungsvolle Verbindung miteinander ein. Himmel und Erde begegnen sich. Das bedeutet: Mies, was auf unserem Parament dargestellt ist, steht in einem ganz bestimmten Deutungshorizont. Die Begegnung von Himmel und Erde bestimmt als Grundgeschehen alles, was vor dem violetten Hintergrund dargestellt ist. Die violette Farbe ist also nicht Nebensache, sondern sie stellt den Horizont dar, unter dem alles zu verstehen ist. Der Himmel begegnet der Erde. Gott begegnet der Welt. Das ist die Grundmelodie, die alles bestimmt.

Violett ist keine Grundfarbe, die uns beim Anschauen bei uns selbst belasst und uns beruhigt. Violett ist eine Mischfarbe. Sie lasst uns nicht einfach bei uns ruhen in distanzierter Betrachtung. Violett ist eine uns betreffende, eine bewegende Farbe. Sie nimmt uns mit hinein in die positive Spannung der Begegnung mit Gott. Violett ist die Farbe der Nacht unmittelbar vor dem Anbruch des Tages. Violett erinnert an die Nacht, die vergeht und bereitet auf den Tag vor, der im Kommen ist.

Das Herabkommen des Himmels auf die Erde bedeutet ein Kommen in die Nacht. Wenn Gott in die Welt kommt, dann kommt er zuerst einmal in die Nacht. Das himmlische Blau muss sich viel Verfinsterung gefallen lassen in der Mischung mit Rot und Violett. So erinnert das dunkle Violett an eine Grunderfahrung unseres Lebens: In der Welt herrscht Finsternis. In Joh. 1, 5 wird das Kommen Gottes in die Welt so beschrieben: Und das Licht scheint in der Finsternis. Und die Finsternis hat‘s nicht ergriffen.

Die Welt ist finster. Schau in unsere Welt und ich frage dich. Ist das nicht so? Was zeigt unser Blick in die Welt? Zeigt er nicht eindeutig und klar: Wir tun uns schwer, das Leben zu achten, unsere Mitmenschen zu lieben im Meinen wie im Großen. Die Nachrichten und Zeitungen führen es uns jeden Tag vor Augen. Ich brauche die Beispiele nicht aufzuzählen. Sie kennen sie: Die Toten in Ruanda, Kambodscha, Jugoslawien, Nahost und Manhatten, die Verhungernden in Äthiopien und Eritrea, die Flüchtlinge und die großen Machtmenschen, die Unterdrücker, die Gurus und Verführer und die globale Herrschaft des Gottes Mammon. Gott kommt in eine Finsternis. Aber er kommt. Er kommt trotzdem. Gott bleibt nicht im Himmel. Er kommt. Er kommt auf die Erde — trotz allem. Und was trifft er an unten auf der Erde mitten in der Nacht?

Einen Menschen mit einem Namen. Ganz nach unten geht Gott. Bis an den untersten Rand der Erde geht er hinab. Und da findet er einen Menschen. Er findet nicht nur ein Exemplar von der Gattung Mensch, nein, er findet einen Namen. Dich findet er und mich. Du bist dargestellt unten auf dem Parament, ich bin dargestellt. Doch wir haben einen Namen. Unser Name steht für unsere ganz persönliche Lebensgeschichte. Gott bist du wichtig. Auch du bist dargestellt auf dem Parament. Auch dich sucht Gott. Auch zu dir sagt er: Ich habe dich bei deinem Namen ins Leben gerufen, du bist mein.

Das ist eine ungeheure Botschaft: Gott ist jeder einzelne Mensch wichtig unabhängig von seinen Qualitätsmerkmalen. Gott interessiert nicht dein Drum Herum. Nicht das, was du hast und womit du auftrumpfen kannst, interessiert Gott. Sondern das, was du bist, interessiert ihn.

Ja, und da geht es jedem von uns so, wie dem Menschen in der Mitte. Dieser Mensch in der Mitte des Paraments müsste eigentlich ganz unten stehen. Denn die aufrechte Gestalt unten war nicht immer aufrecht. Sie war gebeugt von ihrem Kreuz, das sie trug. Mit was für Kreuzen schleppen wir uns am Boden des Paraments, am tiefsten Grund der Erde dahin! Da tragen Menschen an ihrem Kreuz der Trauer. Du stemmst dich dagegen, aber du wirst dieses Kreuz nicht los. Jeden Tag neu lastet es auf dir. Ein anderer trägt am Kreuz seiner gescheiterten Ehe. Wie das drückt und reibt jeden Tag. Wieder eine andere trägt am Kreuz ihrer Krankheit und muss es jeden Tag auf sich nehmen. Und wie viele Frauen tragen am Kreuz ihrer Männer, die nicht zu dem Leben stehen, das sie in sie gelegt. Oder da ist das Kreuz des Alkohols, das sich über ganze Familien legt und alle belastet. Und die offene Zukunft im Beruf, die verkaufte Firma, wie kann das als Kreuz auf einem lasten! In all diesen Kreuzen lastet dann dazu noch das Kreuz der Schuld auf uns.

Und trotzdem: Gott kommt herab in dein Leben. Er kommt zu dir mit deinem Kreuz. Und dann geschieht das Unglaubliche. Die vom Kreuz zu Boden gedrückte Gestalt richtet sich auf Sie hat ihr kreuz nach oben geworfen auf Jesus in der Mitte des Paraments. Der links nach unten gebogene Längsbalken deutet diesen Schwung des Wurfs nach oben noch an. Das belastende Kreuz ist weg — auf Jesus geworfen. Du darfst dich aufrichten — wieder Mensch sein — leben.

Wie konnte dieser Mensch das? Wie konnte er sein Kreuz nach oben werfen? Durch die Mutterhand Gottes. Die Mutterhand Gottes zieht ihn nach oben. Die untere, nach oben geöffnete Hand ist weicher gestaltet als die obere, nach unten gerichtete Hand. Wie eine Mutter möchte Gott dich nach oben ziehen. Wie eine Mutter möchte er dich aufrichten und trösten mit seiner Hand. Ich will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet, sagt Gott in Jes. 66, 13. Und genau das sagt er auch zu dir.

Wenn Gott einem Menschen begegnet, dann richtet er ihn auf. Das haben fromme Christen oft vergessen. Gott drückt die Menschen nicht nieder. Gott ist Mensch geworden, damit er den Menschen aufrichte.
Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.

Gott kommt zu dir, um dich aufzurichten. Dein Lebensweg hat dich genug hinabgedrückt. Da braucht Gott nicht noch eins draufgeben. Nein, Gott kommt, um dich aufzurichten. Obwohl Gott so zum Menschen kommt, macht er oft eine enttäuschende Erfahrung. Brauche ich nicht!
sagen sie. Gott? Was soll der? Ich bin selber stark. — Stimmt! Den Starken spielen, das üben wir ein in der Welt. Druck auf den Untergebenen machen, mit Menschen kalkulieren wie mit Aktien, den Konkurrenten ausboten ohne Moral, eine Eindrucksschau abziehen in der Öffentlichkeit, sich jeden Handgriff und Gedanken vergolden lassen, unter keinen Umständen ein Unrecht zugeben, bloß keine Solidarität zeigen mit den Schwächeren — das üben wir ein in unserer Welt. Und dabei geht unser innerer Mensch verloren, bleibt das Wachstum unserer Seele auf der Strecke.

Gott weiß um unsere Machtspiele. Wie ein Blitz erhellt er unser Leben bis hinab auf seinen tiefsten Grund. Dieser Blitz ist in der oberen, abwärts gerichteten Hand mit dargestellt. Gott durchschaut uns. Er weiß, wer wir sind. Und obwohl wir es nicht verdienen, richtet er uns auf. Ihm liegt nicht daran, uns zu bestrafen oder klein zu machen. Und haben wir noch so viel Unrecht getan oder uns in Fehler verrannt, Gott will dich nach oben ziehen. Du sollst leben und wieder tanzen. Aufrecht sollst du stehen vor deinem Gott in deinen Gebeten. Deshalb stehen wir auch in unserer Kirche beim Gebet. Nicht bücken sollst du dich vor Gott, sondern aufrecht vor ihm stehen. Du darfst das. Denn er richtet dich auf.

Was für eine Gebetshaltung der unteren Gestalt! Welch eine Freiheit Gott gegenüber. Was für ein Gott, der mich aufrecht hinstellt vor sich! Was für ein Gott, der sich freuen möchte an mir. Gott will, dass wir tanzen und jubeln vor ihm. Er möchte miterleben, wie du dich in deinem Leben entfaltest. Was für eine Liebe zum Leben muss Gott haben, dass er solch einen riesen Kosmos, solch eine schöne Erde mit all ihren Lebensformen geschaffen. So ist Gott. Ein Freund des Lebens durch und durch.

Wenn wir unser Kreuz auf Christus geworfen haben, haben wir es nicht einfach los. Die Hauptlast liegt nun auf Christus. Aber mein ganz persönlicher Lebensweg mit all seinen Herausforderungen und Problemen, der will von mir gegangen sein. Gott nimmt uns nicht heraus aus unserem Lebensweg. Insofern tragen wir noch immer unser Kreuz. Aber es ist ein tragbares Kreuz geworden, ein erleichtertes Kreuz. Denn nun gilt: Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht. Denn Gott geht in Christus neben mir her auf meinem Lebensweg. Christus geht neben mir und trägt mein Kreuz. Die Gestalten auf dem Parament stellen nicht ein Nacheinander, sondern ein Zugleich dar.

Gott hat in Christus Ja zu mir gesagt — vorbehaltlos – -umfassend. Das ist die Mitte des Paraments. In Christus trägt Gott all meine Last. Aber nicht nur das, was Gott nicht bejahen kann bei dir, liegt auf Christus. Nimm das ernst. Glaube es. Nimm es an: Du bist angenommen bei Gott. Er will dich aufrichten und dich so mit Zuversicht füllen, dass du deine Straße fröhlich ziehen kannst wie die obere Gestalt. Sie tanzt in großer Offenheit für Gott. Der Himmel ist offen und strömt mit seinem Blau auf dich herab.

Du gehst deinen Weg noch auf der Erde. Du gehst ihn noch in der Nacht. Aber du gehst deinen Weg im Anbruch des Tages. Du gehst deinen Weg im Anbruch des Reiches Gottes. Das macht deinen Weg tanzend und deinen Gang leicht. Und wie Christus seinen Weg geborgen in Gottes Händen gehen kann, so wird auch Gott dich auf deinem Kreuzweg umgeben von allen Seiten. Ganz persönlich verspricht dir
Gott: Siehe, ich bin bei dir alle Tage. In der Welt hast du Angst. Aber sei getrost, ich habe die Welt überwunden.

Da wird nichts verdrängt oder überspielt von unseren Lasten. Aber Gottes Mitgehen macht unseren Weg leicht. Gottes Geist ist ein Schöpfergeist neuen Lebens. Er begleitet uns auf unserem Weg und setzt uns ein in unsere Würde.

Es geht nicht darum, dass wir von Leid verschont werden auf unseren Wegen. Es geht nicht darum, dass Gott uns alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumt. Darum sollten wir ihn nicht bitten. Sondern darum geht es, dass wir uns einlassen auf das Leben, dass wir uns einlassen auf andere Menschen und so die Kraft- und Sinnquelle entdecken, die Gott in der Hingabe verborgen hat. Unsere Nacht soll nicht Nacht bleiben. Das ist die Botschaft des Paraments. Auch deine Nacht wird weichen. Auch zu dir kommt Gott. Auch bei dir wird es Advent. Öffne dich, vertraue. Gib ihm dein Kreuz. Du bist nicht verantwortlich fit das Heil der Welt. Lass Gott dein Glück schmieden. Lass ihn vorangehen auf deinem Weg. Was meinst du, wie dich das entlasten wird. Gott geht voran auf deinem Weg. Brich auf. Geh deinen Weg getrost. Mache dich auf und geh. Du kannst. Denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn wird aufgehen über dir. Gott wird zu dir kommen wie er zu dem kleinen Jungen kam:

Eine Schulklasse wartet auf dem Bahnsteig auf den Anschlusszug, der sie zum Schulpraktikum an die Nordsee bringen soll. Dazwischen stehen einige Mütter mit ihren Kindern, die das gleiche Ziel haben. Man hat sich während der Wartezeit miteinander bekannt gemacht, und als der Zug endlich einläuft, werden mit viel Hallo und munteren Flapsereien Kinder und Koffer in den Zug gereicht. Der Zug fährt an, und als alle einen Platz gefunden haben, bemerkt eine Mutter, dass ihr kleiner Sohn nicht mit in dem Abteil ist. In Windeseile durchsuchen einige Schüler die Waggons. Die kleine, keimende Angst wird jetzt zur Gewissheit: Ein kleiner dreieinhalbjähriger Junge ist alleine in Schwerte auf dem Bahnsteig geblieben!
Das Zugpersonal ist hilfsbereit, versucht zu trösten. Die Mutter ist außer sich vor Angst. Mit all ihren verzweifelten Gedanken fühlt sie sich diesem Zug ausgeliefert, der sie unbarmherzig Kilometer um Kilometer von ihrem Kind wegbringt. Endlich ist die nächste Station erreicht. Ein Anruf bringt Klarheit. Der Kleine ist auf dem Bahnsteig herum geirrt und von Passanten zur Fahrkartenausgabe gebracht worden.
Fast zwei Stunden dauert es, bis die Mutter wieder in Schwerte auf dem Bahnsteig eintrifft. Mit einer Mischung aus Dankbarkeit, Erleichterung und Schuldgefühl nimmt sie ihr Kind in die Arme. Jetzt gibt es keinen Halt mehr für ihre Tränen. Ein wenig ratlos sieht der Junge die weinende Mutter an. Als sie sich endlich gefasst hat, fragt sie ihn: ,, Hast du denn keine Angst gehabt so alleine?“ Da antwortet er: ,, Du hast doch gesagt, du kommst immer wieder!“

Gott kommt zu dir. Es wird immer wieder für dich Advent.

 

Beli antependij (Rojstvo in Vstajenje). Vezenje in aplikacije, načrt 1998/99, izvedba 2000 (Birgitt Lackner, Gerstetten), evangeličanska cerkev sv. Mihaela (Michaelskirche), Gerstetten, Nemčija.

Das weiße Parament haben wir vor Augen in der Festzeit an Weihnachten und Ostern, an Trinitatis und am Ewigkeitssonntag. Weiß ist die Farbe des Neuen und Reinen, des Lichts und des Lebens. Weiß – als Mischfarbe aus der Summe aller Farben gebildet – symbolisiert zugleich die Neuschöpfung des gesamten Kosmos.
Die Komposition verschiedener Farben und Formen auf weißem Hintergrund verbindet Motive von Weihnachten, Karfreitag und Ostern miteinander.
Mittlerer Bildteil: Unwillkürlich wird unser Blick zur Mitte des Paraments gelenkt, dem goldenen Kreuz auf violettem Grund, dem symbolischen Ausdruck für Christi Leiden und Tod. Wir wenden nun unseren Blick der Spitze des senkrechten Kreuzbalkens folgend nach unten.
Unterer Bildteil: In der über ihr Kind gebeugten Mutter Maria ist die Abwärtsbewegung der Menschwerdung Christi angedeutet. In der rotbräunlichen Dreiecksform, die das Parament nach unten abschließt, weist der Künstler auf die Erde als Zielpunkt der Menschwerdung des Gottessohnes (Phil 2,5-8). Die Flamme des Heiligen Geistes hoch oben am Eingangstor des Himmels bildet eine Gegenspannung zur rotbraunen Erde. Die dunkelblaue Rundform darüber stellt die Leidenstiefen der Seele dar, die das Kind auf seinem Lebensweg vor sich hat. Die wie ein Stachelende geformte rote und blaue Spitze erinnern an das Seelenleid Christi und daran, wie Christi Leiden in den Leib und das Herz seiner Mutter dringen. Mitten in der harmonischen Komposition von Mutter und Kind ist die ganze Leidenszukunft voraus-schauend dargestellt. Diese schwere Zukunft wäre nicht erträglich ohne die Kraft des Heiligen Geistes, dessen Lebensflamme in Gegenbewegung gegen die Leidensbeugung nach oben weist.
Oberer Bildteil: Aus der Tiefe in die herrliche Freiheit der Auferstehung könnte man den oberen Bildteil des Paraments überschreiben. Das verwundete Herz Christi zieht in seinem auffallenden rotumrandeten Gold den Blick auf sich. Gold und Türkis, die Farben der himmlischen Welt, umhüllen das Antlitz Christi, das in seiner Form an das „Lamm Gottes“ erinnert, das der Welt Sünde trägt. Machtvoll zieht der Heilige Geist in seiner Lebenskraft der Auferstehung (Flamme) Christus an seinen ausgestreckten Armen in den offenen Himmel hinein. Christus hat sich auf die Erde hinab begeben, damit Gott in seinem schöpferischen Geist die Menschheit in Christus in seine neue Welt hinaufziehen und in einer Neuschöpfung erlösen kann. Jo 12,32 steht im Hintergrund: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“

 

Rdeči antependij (Ples Duha). Vezenje in aplikacije, načrt 1998, izvedba 1999 (Birgitt Lackner, Gerstetten), evangeličanska cerkev sv. Mihaela (Michaelskirche), Gerstetten, Nemčija.

Das rote Parament mit seiner spielerischen Dynamik zeigt sich uns von der Kanzel nur an den wenigen Feiertagen, die der Kirche gewidmet sind: An Pfingsten, am Reformationstag, bei einem Investiturgottesdienst und bei der Feier der Konfirmation.
Die Grundfarbe: Rot ist die Farbe des belebenden und begeisternden Feuers des Heiligen Geistes sowie die Farbe des Blutes Christi und der Märtyrer.
Vögel in Bewegung: Das rote Parament sprüht in seinen tanzenden Formen vor Freude, Spiel und Leben. In den Flugbewegungen von drei Tauben bewegen sich Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist vom Himmel zur Erde und wieder zurück und nehmen dabei alles Leben mit in ihre Lebensbewegung hinein.
Symbolzahl Sieben: Die sieben weißen, halbkreisförmigen Flächen weisen auf die sieben Schöpfungstage hin.
Im unteren Viertel des Paraments ist Gottes Schöpfungsakt der Erde angedeutet durch das Symbol der schöpferischen Hand. In den ersten Schöpfungstag ist die goldene Form eines Doppelstachels eingearbeitet, der an die Nägelmale Christi erinnert. Damit nimmt der Künstler das Motiv der Schöpfungsmittlerschaft Christi auf aus Kol 1,16u.17: „In Christus ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare. Er ist vor allem und alles besteht in ihm“. Schon beim Schöpfungsakt ist entschieden, dass das Ziel der Schöpfung ihr Heil ist und bleibt. Die weißen Flächen der Schöpfungstage nehmen dieses Heilsziel auf. Ihr Weiß ist die Farbe der Verwandlung der Schöpfung in den neuen Himmel und die neue Erde am Ende der Tage.
Was für ein positives Gottesbild vermittelt dieses Parament! Die gesamte Schöpfung wird erlöst aus ihrem Seufzen und Leiden und darf teilhaben an der spielerischen Freude des göttlichen Lebens. Wo immer sich Kirche versammelt, sieht sie über die schweren Tage und Zeiten hinaus auf die ewige Gemeinschaft mit Gott in der durch Christus neugeschaffenen Schöpfung in seinem Reich. Offb 21,3-5: „Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“

Axis mundi

Die neuen Kanzelparamente der Michaelskirche Gerstetten (Deutschland)

Nach Vollendung der Innenrenovierung der Mchaelskirche 1994 kam im Kirchengemeinderat der Vorschlag auf, die so schön renovierte Kirche mit neuen Kanzelparamenten auszustatten. Durch die persönlichen Beziehungen unseres Diakonenehepaares Wolfgang und Claudia Ockert gelang es, im Dezember 94 mit dem slowenischen Künstler Matej Metlikovič Verbindung aufzunehmen und ihn für den Entwurf von vier Kanzelparamenten zu gewinnen. Nach der Besichtigung der Michaelskirche durch Metlikovič im Juni 1995 beschloss der Kirchengemeinderat dann im April 1996, an den Künstler den Auftrag zur künstlerischen Gestaltung von Fertigungsvorlagen für vier Kanzelparamente zu vergeben. In mehreren Begegnungen zwischen Künstler und Kirchengemeinderat wurden die Entwürfe beraten und weiterentwickelt. Die Paramentenstickerin Birgitt Lackner aus unserer Kirchengemeinde hat die Fertigungsvorlagen im Auftrag der Kirchengemeinde ab Anfang 1999 mit großer Liebe, Sachverstand und Geschick kunsthandwerklich vollendet. Wir danken dem Künstler Matej Metlikovič und unserer Paramentenstickerin Birgitt Lackner sehr herzlich.

Kunst in der Kirche ist nicht nur Ausdruck unseres Schönheitsempfindens. Kunst in der Kirche hat Verkündigungscharakter. Die Paramente sind in Farbe und Form gefasste Verkündigung des Ursprungs und Zieles unseres Glaubens. In dieser Aufgabe begleiten sie uns durch das Kirchenjahr. Lassen Sie sich in den folgenden Beiträgen mitnehmen in die Bedeutung der liturgischen Farben im Kirchenjahr und die künstlerische Aussage unserer neuen Paramente.

 

Vijolični antependij (Via crucis). Vezenje in aplikacije, načrt 1999, izvedba 2000 (Birgitt Lackner, Gerstetten), evangeličanska cerkev sv. Mihaela (Michaelskirche), Gerstetten, Nemčija.

Das violette Parament begleitet uns in unseren Gottesdiensten in der Adventszeit, in der Passionszeit und am Buß- und Bettag. Mit dem 1. Advent beginnen wir ein neues Kirchenjahr. Weil das violette Parament das neue Kirchenjahr eröffnet, bietet sich der erste Advent für eine Paramentenpredigt an.

Unsere Paramente dienen nicht nur der Verzierung unserer Kirchen. Paramente sind mehr. Sie sind Ausdruck christlicher Kunst. Christliche Kunst arbeitet viel mit Symbolen. Das bedeutet: Die Formen und Farben unserer Paramente wollen nicht einfach Wirklichkeit abbilden, sondern eine Botschaft überbringen. Matej Metlikovic hat in seiner künstlerischen Gestaltung unserer Paramente zentrale Inhalte unseres Glaubens aufgenommen. Und diese Inhalte wollen uns die Paramente mit ihren Farben, Formen und Symbolen nahe bringen.

Das beginnt schon mit der Farbe. Warum leiten wir das Kirchenjahr ein mit einem violetten Parament? Warum gerade die Farbe violett?

Violett ist eine Mischfarbe aus den Grundfarben rot und blau. Rot erinnert an die Farbe unserer Erde. Die kompakte, lehmige Erde hat einen rotbraunen Grundton. Zugleich ist Rot mit seiner Erinnerung an das Blut die Farbe des Lebens.

Blau ist die der Erde entgegengesetzte Farbe des Himmels. In der Farbe violett gehen das Blau des Himmels und das Rot der Erde eine spannungsvolle Verbindung miteinander ein. Himmel und Erde begegnen sich. Das bedeutet: Mies, was auf unserem Parament dargestellt ist, steht in einem ganz bestimmten Deutungshorizont. Die Begegnung von Himmel und Erde bestimmt als Grundgeschehen alles, was vor dem violetten Hintergrund dargestellt ist. Die violette Farbe ist also nicht Nebensache, sondern sie stellt den Horizont dar, unter dem alles zu verstehen ist. Der Himmel begegnet der Erde. Gott begegnet der Welt. Das ist die Grundmelodie, die alles bestimmt.

Violett ist keine Grundfarbe, die uns beim Anschauen bei uns selbst belasst und uns beruhigt. Violett ist eine Mischfarbe. Sie lasst uns nicht einfach bei uns ruhen in distanzierter Betrachtung. Violett ist eine uns betreffende, eine bewegende Farbe. Sie nimmt uns mit hinein in die positive Spannung der Begegnung mit Gott. Violett ist die Farbe der Nacht unmittelbar vor dem Anbruch des Tages. Violett erinnert an die Nacht, die vergeht und bereitet auf den Tag vor, der im Kommen ist.

Das Herabkommen des Himmels auf die Erde bedeutet ein Kommen in die Nacht. Wenn Gott in die Welt kommt, dann kommt er zuerst einmal in die Nacht. Das himmlische Blau muss sich viel Verfinsterung gefallen lassen in der Mischung mit Rot und Violett. So erinnert das dunkle Violett an eine Grunderfahrung unseres Lebens: In der Welt herrscht Finsternis. In Joh. 1, 5 wird das Kommen Gottes in die Welt so beschrieben: Und das Licht scheint in der Finsternis. Und die Finsternis hat‘s nicht ergriffen.

Die Welt ist finster. Schau in unsere Welt und ich frage dich. Ist das nicht so? Was zeigt unser Blick in die Welt? Zeigt er nicht eindeutig und klar: Wir tun uns schwer, das Leben zu achten, unsere Mitmenschen zu lieben im Meinen wie im Großen. Die Nachrichten und Zeitungen führen es uns jeden Tag vor Augen. Ich brauche die Beispiele nicht aufzuzählen. Sie kennen sie: Die Toten in Ruanda, Kambodscha, Jugoslawien, Nahost und Manhatten, die Verhungernden in Äthiopien und Eritrea, die Flüchtlinge und die großen Machtmenschen, die Unterdrücker, die Gurus und Verführer und die globale Herrschaft des Gottes Mammon. Gott kommt in eine Finsternis. Aber er kommt. Er kommt trotzdem. Gott bleibt nicht im Himmel. Er kommt. Er kommt auf die Erde — trotz allem. Und was trifft er an unten auf der Erde mitten in der Nacht?

Einen Menschen mit einem Namen. Ganz nach unten geht Gott. Bis an den untersten Rand der Erde geht er hinab. Und da findet er einen Menschen. Er findet nicht nur ein Exemplar von der Gattung Mensch, nein, er findet einen Namen. Dich findet er und mich. Du bist dargestellt unten auf dem Parament, ich bin dargestellt. Doch wir haben einen Namen. Unser Name steht für unsere ganz persönliche Lebensgeschichte. Gott bist du wichtig. Auch du bist dargestellt auf dem Parament. Auch dich sucht Gott. Auch zu dir sagt er: Ich habe dich bei deinem Namen ins Leben gerufen, du bist mein.

Das ist eine ungeheure Botschaft: Gott ist jeder einzelne Mensch wichtig unabhängig von seinen Qualitätsmerkmalen. Gott interessiert nicht dein Drum Herum. Nicht das, was du hast und womit du auftrumpfen kannst, interessiert Gott. Sondern das, was du bist, interessiert ihn.

Ja, und da geht es jedem von uns so, wie dem Menschen in der Mitte. Dieser Mensch in der Mitte des Paraments müsste eigentlich ganz unten stehen. Denn die aufrechte Gestalt unten war nicht immer aufrecht. Sie war gebeugt von ihrem Kreuz, das sie trug. Mit was für Kreuzen schleppen wir uns am Boden des Paraments, am tiefsten Grund der Erde dahin! Da tragen Menschen an ihrem Kreuz der Trauer. Du stemmst dich dagegen, aber du wirst dieses Kreuz nicht los. Jeden Tag neu lastet es auf dir. Ein anderer trägt am Kreuz seiner gescheiterten Ehe. Wie das drückt und reibt jeden Tag. Wieder eine andere trägt am Kreuz ihrer Krankheit und muss es jeden Tag auf sich nehmen. Und wie viele Frauen tragen am Kreuz ihrer Männer, die nicht zu dem Leben stehen, das sie in sie gelegt. Oder da ist das Kreuz des Alkohols, das sich über ganze Familien legt und alle belastet. Und die offene Zukunft im Beruf, die verkaufte Firma, wie kann das als Kreuz auf einem lasten! In all diesen Kreuzen lastet dann dazu noch das Kreuz der Schuld auf uns.

Und trotzdem: Gott kommt herab in dein Leben. Er kommt zu dir mit deinem Kreuz. Und dann geschieht das Unglaubliche. Die vom Kreuz zu Boden gedrückte Gestalt richtet sich auf Sie hat ihr kreuz nach oben geworfen auf Jesus in der Mitte des Paraments. Der links nach unten gebogene Längsbalken deutet diesen Schwung des Wurfs nach oben noch an. Das belastende Kreuz ist weg — auf Jesus geworfen. Du darfst dich aufrichten — wieder Mensch sein — leben.

Wie konnte dieser Mensch das? Wie konnte er sein Kreuz nach oben werfen? Durch die Mutterhand Gottes. Die Mutterhand Gottes zieht ihn nach oben. Die untere, nach oben geöffnete Hand ist weicher gestaltet als die obere, nach unten gerichtete Hand. Wie eine Mutter möchte Gott dich nach oben ziehen. Wie eine Mutter möchte er dich aufrichten und trösten mit seiner Hand. Ich will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet, sagt Gott in Jes. 66, 13. Und genau das sagt er auch zu dir.

Wenn Gott einem Menschen begegnet, dann richtet er ihn auf. Das haben fromme Christen oft vergessen. Gott drückt die Menschen nicht nieder. Gott ist Mensch geworden, damit er den Menschen aufrichte.
Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.

Gott kommt zu dir, um dich aufzurichten. Dein Lebensweg hat dich genug hinabgedrückt. Da braucht Gott nicht noch eins draufgeben. Nein, Gott kommt, um dich aufzurichten. Obwohl Gott so zum Menschen kommt, macht er oft eine enttäuschende Erfahrung. Brauche ich nicht!
sagen sie. Gott? Was soll der? Ich bin selber stark. — Stimmt! Den Starken spielen, das üben wir ein in der Welt. Druck auf den Untergebenen machen, mit Menschen kalkulieren wie mit Aktien, den Konkurrenten ausboten ohne Moral, eine Eindrucksschau abziehen in der Öffentlichkeit, sich jeden Handgriff und Gedanken vergolden lassen, unter keinen Umständen ein Unrecht zugeben, bloß keine Solidarität zeigen mit den Schwächeren — das üben wir ein in unserer Welt. Und dabei geht unser innerer Mensch verloren, bleibt das Wachstum unserer Seele auf der Strecke.

Gott weiß um unsere Machtspiele. Wie ein Blitz erhellt er unser Leben bis hinab auf seinen tiefsten Grund. Dieser Blitz ist in der oberen, abwärts gerichteten Hand mit dargestellt. Gott durchschaut uns. Er weiß, wer wir sind. Und obwohl wir es nicht verdienen, richtet er uns auf. Ihm liegt nicht daran, uns zu bestrafen oder klein zu machen. Und haben wir noch so viel Unrecht getan oder uns in Fehler verrannt, Gott will dich nach oben ziehen. Du sollst leben und wieder tanzen. Aufrecht sollst du stehen vor deinem Gott in deinen Gebeten. Deshalb stehen wir auch in unserer Kirche beim Gebet. Nicht bücken sollst du dich vor Gott, sondern aufrecht vor ihm stehen. Du darfst das. Denn er richtet dich auf.

Was für eine Gebetshaltung der unteren Gestalt! Welch eine Freiheit Gott gegenüber. Was für ein Gott, der mich aufrecht hinstellt vor sich! Was für ein Gott, der sich freuen möchte an mir. Gott will, dass wir tanzen und jubeln vor ihm. Er möchte miterleben, wie du dich in deinem Leben entfaltest. Was für eine Liebe zum Leben muss Gott haben, dass er solch einen riesen Kosmos, solch eine schöne Erde mit all ihren Lebensformen geschaffen. So ist Gott. Ein Freund des Lebens durch und durch.

Wenn wir unser Kreuz auf Christus geworfen haben, haben wir es nicht einfach los. Die Hauptlast liegt nun auf Christus. Aber mein ganz persönlicher Lebensweg mit all seinen Herausforderungen und Problemen, der will von mir gegangen sein. Gott nimmt uns nicht heraus aus unserem Lebensweg. Insofern tragen wir noch immer unser Kreuz. Aber es ist ein tragbares Kreuz geworden, ein erleichtertes Kreuz. Denn nun gilt: Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht. Denn Gott geht in Christus neben mir her auf meinem Lebensweg. Christus geht neben mir und trägt mein Kreuz. Die Gestalten auf dem Parament stellen nicht ein Nacheinander, sondern ein Zugleich dar.

Gott hat in Christus Ja zu mir gesagt — vorbehaltlos – -umfassend. Das ist die Mitte des Paraments. In Christus trägt Gott all meine Last. Aber nicht nur das, was Gott nicht bejahen kann bei dir, liegt auf Christus. Nimm das ernst. Glaube es. Nimm es an: Du bist angenommen bei Gott. Er will dich aufrichten und dich so mit Zuversicht füllen, dass du deine Straße fröhlich ziehen kannst wie die obere Gestalt. Sie tanzt in großer Offenheit für Gott. Der Himmel ist offen und strömt mit seinem Blau auf dich herab.

Du gehst deinen Weg noch auf der Erde. Du gehst ihn noch in der Nacht. Aber du gehst deinen Weg im Anbruch des Tages. Du gehst deinen Weg im Anbruch des Reiches Gottes. Das macht deinen Weg tanzend und deinen Gang leicht. Und wie Christus seinen Weg geborgen in Gottes Händen gehen kann, so wird auch Gott dich auf deinem Kreuzweg umgeben von allen Seiten. Ganz persönlich verspricht dir
Gott: Siehe, ich bin bei dir alle Tage. In der Welt hast du Angst. Aber sei getrost, ich habe die Welt überwunden.

Da wird nichts verdrängt oder überspielt von unseren Lasten. Aber Gottes Mitgehen macht unseren Weg leicht. Gottes Geist ist ein Schöpfergeist neuen Lebens. Er begleitet uns auf unserem Weg und setzt uns ein in unsere Würde.

Es geht nicht darum, dass wir von Leid verschont werden auf unseren Wegen. Es geht nicht darum, dass Gott uns alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumt. Darum sollten wir ihn nicht bitten. Sondern darum geht es, dass wir uns einlassen auf das Leben, dass wir uns einlassen auf andere Menschen und so die Kraft- und Sinnquelle entdecken, die Gott in der Hingabe verborgen hat. Unsere Nacht soll nicht Nacht bleiben. Das ist die Botschaft des Paraments. Auch deine Nacht wird weichen. Auch zu dir kommt Gott. Auch bei dir wird es Advent. Öffne dich, vertraue. Gib ihm dein Kreuz. Du bist nicht verantwortlich fit das Heil der Welt. Lass Gott dein Glück schmieden. Lass ihn vorangehen auf deinem Weg. Was meinst du, wie dich das entlasten wird. Gott geht voran auf deinem Weg. Brich auf. Geh deinen Weg getrost. Mache dich auf und geh. Du kannst. Denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn wird aufgehen über dir. Gott wird zu dir kommen wie er zu dem kleinen Jungen kam:

Eine Schulklasse wartet auf dem Bahnsteig auf den Anschlusszug, der sie zum Schulpraktikum an die Nordsee bringen soll. Dazwischen stehen einige Mütter mit ihren Kindern, die das gleiche Ziel haben. Man hat sich während der Wartezeit miteinander bekannt gemacht, und als der Zug endlich einläuft, werden mit viel Hallo und munteren Flapsereien Kinder und Koffer in den Zug gereicht. Der Zug fährt an, und als alle einen Platz gefunden haben, bemerkt eine Mutter, dass ihr kleiner Sohn nicht mit in dem Abteil ist. In Windeseile durchsuchen einige Schüler die Waggons. Die kleine, keimende Angst wird jetzt zur Gewissheit: Ein kleiner dreieinhalbjähriger Junge ist alleine in Schwerte auf dem Bahnsteig geblieben!
Das Zugpersonal ist hilfsbereit, versucht zu trösten. Die Mutter ist außer sich vor Angst. Mit all ihren verzweifelten Gedanken fühlt sie sich diesem Zug ausgeliefert, der sie unbarmherzig Kilometer um Kilometer von ihrem Kind wegbringt. Endlich ist die nächste Station erreicht. Ein Anruf bringt Klarheit. Der Kleine ist auf dem Bahnsteig herum geirrt und von Passanten zur Fahrkartenausgabe gebracht worden.
Fast zwei Stunden dauert es, bis die Mutter wieder in Schwerte auf dem Bahnsteig eintrifft. Mit einer Mischung aus Dankbarkeit, Erleichterung und Schuldgefühl nimmt sie ihr Kind in die Arme. Jetzt gibt es keinen Halt mehr für ihre Tränen. Ein wenig ratlos sieht der Junge die weinende Mutter an. Als sie sich endlich gefasst hat, fragt sie ihn: ,, Hast du denn keine Angst gehabt so alleine?“ Da antwortet er: ,, Du hast doch gesagt, du kommst immer wieder!“

Gott kommt zu dir. Es wird immer wieder für dich Advent.

 

Beli antependij (Rojstvo in Vstajenje). Vezenje in aplikacije, načrt 1998/99, izvedba 2000 (Birgitt Lackner, Gerstetten), evangeličanska cerkev sv. Mihaela (Michaelskirche), Gerstetten, Nemčija.

Das weiße Parament haben wir vor Augen in der Festzeit an Weihnachten und Ostern, an Trinitatis und am Ewigkeitssonntag. Weiß ist die Farbe des Neuen und Reinen, des Lichts und des Lebens. Weiß – als Mischfarbe aus der Summe aller Farben gebildet – symbolisiert zugleich die Neuschöpfung des gesamten Kosmos.
Die Komposition verschiedener Farben und Formen auf weißem Hintergrund verbindet Motive von Weihnachten, Karfreitag und Ostern miteinander.
Mittlerer Bildteil: Unwillkürlich wird unser Blick zur Mitte des Paraments gelenkt, dem goldenen Kreuz auf violettem Grund, dem symbolischen Ausdruck für Christi Leiden und Tod. Wir wenden nun unseren Blick der Spitze des senkrechten Kreuzbalkens folgend nach unten.
Unterer Bildteil: In der über ihr Kind gebeugten Mutter Maria ist die Abwärtsbewegung der Menschwerdung Christi angedeutet. In der rotbräunlichen Dreiecksform, die das Parament nach unten abschließt, weist der Künstler auf die Erde als Zielpunkt der Menschwerdung des Gottessohnes (Phil 2,5-8). Die Flamme des Heiligen Geistes hoch oben am Eingangstor des Himmels bildet eine Gegenspannung zur rotbraunen Erde. Die dunkelblaue Rundform darüber stellt die Leidenstiefen der Seele dar, die das Kind auf seinem Lebensweg vor sich hat. Die wie ein Stachelende geformte rote und blaue Spitze erinnern an das Seelenleid Christi und daran, wie Christi Leiden in den Leib und das Herz seiner Mutter dringen. Mitten in der harmonischen Komposition von Mutter und Kind ist die ganze Leidenszukunft voraus-schauend dargestellt. Diese schwere Zukunft wäre nicht erträglich ohne die Kraft des Heiligen Geistes, dessen Lebensflamme in Gegenbewegung gegen die Leidensbeugung nach oben weist.
Oberer Bildteil: Aus der Tiefe in die herrliche Freiheit der Auferstehung könnte man den oberen Bildteil des Paraments überschreiben. Das verwundete Herz Christi zieht in seinem auffallenden rotumrandeten Gold den Blick auf sich. Gold und Türkis, die Farben der himmlischen Welt, umhüllen das Antlitz Christi, das in seiner Form an das „Lamm Gottes“ erinnert, das der Welt Sünde trägt. Machtvoll zieht der Heilige Geist in seiner Lebenskraft der Auferstehung (Flamme) Christus an seinen ausgestreckten Armen in den offenen Himmel hinein. Christus hat sich auf die Erde hinab begeben, damit Gott in seinem schöpferischen Geist die Menschheit in Christus in seine neue Welt hinaufziehen und in einer Neuschöpfung erlösen kann. Jo 12,32 steht im Hintergrund: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“

 

Rdeči antependij (Ples Duha). Vezenje in aplikacije, načrt 1998, izvedba 1999 (Birgitt Lackner, Gerstetten), evangeličanska cerkev sv. Mihaela (Michaelskirche), Gerstetten, Nemčija.

Das rote Parament mit seiner spielerischen Dynamik zeigt sich uns von der Kanzel nur an den wenigen Feiertagen, die der Kirche gewidmet sind: An Pfingsten, am Reformationstag, bei einem Investiturgottesdienst und bei der Feier der Konfirmation.
Die Grundfarbe: Rot ist die Farbe des belebenden und begeisternden Feuers des Heiligen Geistes sowie die Farbe des Blutes Christi und der Märtyrer.
Vögel in Bewegung: Das rote Parament sprüht in seinen tanzenden Formen vor Freude, Spiel und Leben. In den Flugbewegungen von drei Tauben bewegen sich Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist vom Himmel zur Erde und wieder zurück und nehmen dabei alles Leben mit in ihre Lebensbewegung hinein.
Symbolzahl Sieben: Die sieben weißen, halbkreisförmigen Flächen weisen auf die sieben Schöpfungstage hin.
Im unteren Viertel des Paraments ist Gottes Schöpfungsakt der Erde angedeutet durch das Symbol der schöpferischen Hand. In den ersten Schöpfungstag ist die goldene Form eines Doppelstachels eingearbeitet, der an die Nägelmale Christi erinnert. Damit nimmt der Künstler das Motiv der Schöpfungsmittlerschaft Christi auf aus Kol 1,16u.17: „In Christus ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare. Er ist vor allem und alles besteht in ihm“. Schon beim Schöpfungsakt ist entschieden, dass das Ziel der Schöpfung ihr Heil ist und bleibt. Die weißen Flächen der Schöpfungstage nehmen dieses Heilsziel auf. Ihr Weiß ist die Farbe der Verwandlung der Schöpfung in den neuen Himmel und die neue Erde am Ende der Tage.
Was für ein positives Gottesbild vermittelt dieses Parament! Die gesamte Schöpfung wird erlöst aus ihrem Seufzen und Leiden und darf teilhaben an der spielerischen Freude des göttlichen Lebens. Wo immer sich Kirche versammelt, sieht sie über die schweren Tage und Zeiten hinaus auf die ewige Gemeinschaft mit Gott in der durch Christus neugeschaffenen Schöpfung in seinem Reich. Offb 21,3-5: „Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“

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